Mia sucht Mr. Right
Mia erwischt ihren Freund in flagranti und zieht bei ihrer Freundin Emma-Lotte ein. Die zwei Mädels finden klare Worte für die Männerwelt und die Alltäglichkeiten, die das (Frauen-)Leben so mit sich bringt.
Die Männer, die Mia nach ihrer Trennung kennenlernt, sind mehr Frosch als Prinz. Ernüchtert kommt sie zu dem Entschluss, dass Frauen nicht suchen, sondern gefunden werden sollten.
Getreu ihrem neuen Motto verlangt sie dies auch von Mister Right, als dieser unverhofft auftaucht. Unüberlegt, aber konsequent verweigert sie ihm ihre Kontaktdaten (finde mich, wenn du mich wirklich willst).
Wird es ein Happy End für Mia geben?
Die Taschenbuchausgabe umfasst 218 Seiten
Das ebook hat eine Dateigröße von
1110 KB
Leseprobe: Kapitel 1
Der achte Jahrestag
Ganz leise schloss sie die Haustür auf, um diese dann so heftig aufzustoßen, dass sie mit einem lauten Knall gegen die Wand schlug. Mit einem Ruck zog sie ihren Koffer über die Türschwelle des Kieler Lofts und rief gut gelaunt: „ÜBERRASCHUNG!!“
Und tatsächlich – Überraschung! Der riesige Raum war in das warme Licht unzähliger Kerzen getaucht, die überall in den unterschiedlichsten Größen verteilt waren. Sie standen auf Fensterbänken, Kommoden und dem Esstisch. Große, dicke Stumpenkerzen waren vor der Kamin-Attrappe und dem deckenhohen Bücherregal platziert. Auf jeder Stufe der Wendeltreppe, die zum Schlafzimmer auf der offenen Galerie führte, standen kleine, orientalisch anmutende Gläser, in denen Teelichter brannten.
Durch das schnelle Aufschlagen der Haustür hatten einige der Flammen angefangen, auf den Kerzen zu tanzen. Schatten liefen über die Wände und Möbel.
Wunderschön, dachte Mia. Ich wusste, diesmal vergisst er unseren Jahrestag nicht. Vielleicht fragt er mich heute endlich, ob ich ihn heiraten will.
Im Licht der hüpfenden Kerzen nahm Mia in der Küche eine Bewegung wahr.
„Tom?!!“
Da sie keine Antwort erhielt, fuhr sie erschrocken über die gesamte Schalterleiste, die neben der Haustür installiert war. In Sekunden flutete das Licht diverser Deckenlampen den großen Raum und verschluckte den wunderbaren, warmen Kerzenglanz.
Während sie langsam in Richtung Küche ging, die direkt hinter der Wendeltreppe lag, rang sie um Fassung. Am Küchenblock angekommen, musste sie sich an der Arbeitsplatte festhalten. Das Bild, das sich ihr bot, ließ ihr Herz schneller schlagen, und sie hörte, wie das Blut in ihren Ohren rauschte. Jedes Detail dieser Szene brannte sich tief in ihr Gehirn ein.
Eine Frau lag mit nacktem Oberkörper vornübergebeugt auf Mias Ceranfeld. Als sich die Frau auf ihre Hände stützte und so ihre Position veränderte, waren deutlich die fettigen Schlieren zu erkennen, die ihre Doppel-D-Brüste auf dem Kochfeld hinterlassen hatten. Ein paar Strähnen ihres langen, blonden Haares fielen ihr bis auf die Hüfte. Das restliche Haar hatte sie zu einem wilden Knoten am Hinterkopf zusammengesteckt. Auf ihr Schulterblatt war ein Motorrad tätowiert, das von einem Skelett gefahren wurde. Während der Knochenmann dem Betrachter seinen Mittelfinger entgegenstreckte, grinste er fies.
Der silberfarbene Minirock war so dicht auf den Hüften der Frau zusammengeschoben, dass er nun nicht mehr als ein breiterer Gürtel war. Zu dem Röckchen trug die Blondine schwarze Overknees. Die Absätze der Stiefel waren so unverschämt hoch, dass Mia es auf ihnen nicht vom Herd bis zur Spüle geschafft hätte. Das kleine, schwarze Top, das mit großer Wahrscheinlichkeit die Doppel-D-Brüste beim Tragen nur unzureichend bedeckte, hing frech über der Dunstabzugshaube. Eine Unterhose suchte Mia vergeblich. Weder auf der Küchenzeile noch am Knöchel der Frau war eine zu finden.
Wahrscheinlich ist sie schon unten ohne hergekommen. Bloß keine Zeit verlieren, dachte Mia.
Ganz anders sah es bei Tom aus. Er hatte sich die Jeans samt Boxershorts bis auf die Füße geschoben. Nur seine Zehen, die in den Strümpfen mit Tigermuster steckten (ein Weihnachtsgeschenk seiner Mutter), waren noch zu sehen. Sein Hemd lag in der Obstschale, in die Mia fein säuberlich Orangen zu einer Pyramide gestapelt hatte. Auf Toms Brust glitzerten kleine Schweißperlen, und seine braunen Locken klebten feucht an seiner Stirn.
Wie eine Schnecke, die sich bei Gefahr in ihr Haus zurückzog, hatte Toms eben noch erigiertes Glied den Rückzug angetreten. Klein und schlaff hing es in dem Kondom, das von dem festen Gummirand an seinem Platz gehalten wurde.
„MIA!!“
Als sie ihren Namen hörte, erwachte sie aus ihrer Starre. Als hätte jemand den ‚Play‘-Knopf gedrückt, geriet alles um sie herum wieder in Bewegung. Zuerst langsam, dann schneller, bis sich die normale Geschwindigkeit eingestellt hatte.
„Mia, du hast erst vor einer halben Stunde angerufen und gesagt, dass du im Elbtunnel feststeckst. ‚Stau‘ hast du gesagt, und dass du noch mindestens zwei Stunden unterwegs sein wirst.“
„Als ich anrief, war ich kurz vor Kiel. Ich wollte dich an unserem achten Jahrestag überraschen. Hätte ich gewusst, wo DU feststeckst, wäre ich nie wieder nach Hause gekommen.“
Mia wunderte sich, wie ruhig und gefasst sie in dieser Situation war. Sie hätte gern geschrien, Tom beschimpft oder etwas aus Glas gegen die Wand geschmissen, wo es in tausend kleine Stücke zersprang. Etwas richtig Teures – etwas, das Tom gehörte. Aber sie bewegte sich nicht. Wie versteinert stand sie noch immer am Küchenblock.
Die Blondine versuchte, ihren Rock in die richtige Position zu bringen. Der war aber so eng, dass es ihr einige Mühe bereitete, ihn über die Hüften zu ziehen.
Während Mia dem Kampf ‚Blondine gegen Rock‘ aufmerksam folgte, schaute sie der Frau unverschämt auf deren Intimbereich. Sie konnte nicht glauben, was sie sah. Dort, wo nach der Rasur meist nur noch das kleine Bärtchen eines weltweit verhassten Mannes zu sehen war, hatte die Blondine einen kunstvoll rasierten Totenkopf.
Wenn die will, kann sie dem Totenschädel einen Afro wachsen lassen, dachte Mia, sagte aber, während sie mit dem Finger auf das kleine Kunstwerk zeigte: „St. Pauli-Fan, was?!“
Gott, was rede ich für einen Blödsinn?! Vielleicht ist es der Schock. Es muss der Schock sein.
Die Frau hörte auf, an ihrem Röckchen herumzuziehen, hob den Kopf und starrte Mia verständnislos an. Sie hatte ein hübsches Gesicht. Leider war sie etwas überschminkt. Falsche Wimpern, zu dunkler Lidschatten, zu viel Rouge, und der verschmierte (anscheinend nicht kussechte) Lippenstift war zu rot.
Mia kam die Blondine bekannt vor. Sie kniff die Augen zusammen, und während sie überlegte, kaute sie auf ihrer Unterlippe. Du musst sie dir ohne Make-up vorstellen. Die Erkenntnis über die Identität der Frau traf sie wie ein Schlag. Sie drehte sich zu Tom herum.
„Ich kenne die Frau, sie ist die Fleischereifachverkäuferin von Real.“
Als hätten Tom und die Blondine sie nicht gehört und als müsste sie es selbst noch einmal laut aussprechen, damit sie es glauben konnte, sagte Mia zu der Frau: „Sie sind die Fleischereifachverkäuferin von Real. Ich kenne Sie. Jeden Samstag kaufen wir bei Ihnen ein.“
„Hallo, Frau Kischbe. Waren Sie mit dem Tafelspitz zufrieden?!“
Jetzt war es vorbei mit Mias Fassung. Für das spontane Schreien, Beschimpfen und Schmeißen von Gegenständen war es zu spät. Daher wandte sie sich wortlos in Richtung Tür.
„Mia! Warte!“
Sie drehte sich zu Tom um. Mit noch immer heruntergelassener Hose versuchte er, Mia zu folgen. Bei den kleinen, abgehackten Schritten schlug ihm sein gummiumhülltes Glied von einem Oberschenkel auf den anderen und machte dabei ein klatschendes Geräusch. Beinahe wäre Tom gestolpert.
„Bitte, Mia, lass uns reden.“
„Nee! Wir werden nie wieder miteinander reden. Ich habe genug gesehen, hören brauche ich da nichts mehr. Ich schicke dir eine Nachricht, wann ich meine Sachen abhole.“
Ohne ein weiteres Wort verließ sie die Wohnung. Im Hinausgehen griff sie nach ihrem kleinen Koffer, zog ihn über die Türschwelle und schloss leise die Haustür.
Die frische Luft tat ihr gut. Es war ein typisch Schleswig-Holsteiner Novembertag. Kalt, mit leichtem Westwind, der einem den Nieselregen ins Gesicht wehte, sodass es sich anfühlte, als würde sich die Temperatur um den Gefrierpunkt bewegen.
Während sie mit weit ausladenden Schritten den Bürgersteig entlang eilte, rumpelte der kleine Koffer geräuschvoll hinter ihr her. Auf der anderen Straßenseite tauchte eine betrunkene und laut grölende Gruppe Jugendlicher auf. Anscheinend wollten sie zum Jahrmarkt, der gerade in Kiel gastierte. Beim Heimkommen hatte Mia den oberen, beleuchteten Teil des Riesenrades über die Hausdächer ragen sehen.
Noch eine Querstraße, und sie hatte ihren kleinen Sportwagen erreicht. Den Koffer, den sie für die Fortbildung der letzten vier Tage gepackt hatte, warf sie nach hinten auf die Notsitzbank. Sie war die Ruhe selbst. Pflichtbewusst setzte sie vor dem Ausparken den Blinker und vergaß auch nicht den Schulterblick.
Nach vier Kreuzungen und drei roten Ampeln bog sie auf den Zubringer der Umgehungsstraße, die aus Kiel herausführte. Als sie nach fünf Minuten die Umgehung verließ, um auf der Landstraße ihrem Ziel entgegenzufahren, passierte es. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Vielleicht war es die Dunkelheit oder die Stille nach dem Stadtlärm, die sie zusammenbrechen ließ. Sie schaffte es, den Wagen in eine der kleinen Haltebuchten zu steuern. Dann brach die gesamte Wut, Traurigkeit und Enttäuschung aus ihr heraus. Sie weinte hemmungslos, schluchzte, schlug auf das Lenkrad, und hörte sich immer wieder laut schreien: „Du Schwein, du mieses Schwein. Wie konntest du mir das antun?!!“
Schlagartig, als habe ihr Körper keine Lust mehr, Tränen und Rotz zu produzieren, war der Weinkrampf vorbei. Mia suchte in ihren Jackentaschen und im Auto nach einem Taschentuch, fand jedoch keines. Was sie fand, war das Tuch, mit dem sie die Windschutzscheibe sauber machte, wenn die bei kalten Temperaturen beschlug. Manchmal wischte sie mit dem Tuch auch den Staub vom Armaturenbrett. Sie überlegte einen Moment.
Egal, dachte sie. Meine Selbstachtung ist sowieso gerade im Arsch.
Als sie das zugeschnäuzte, feuchte Tuch in den Fußraum vor dem Beifahrersitz warf, ekelte sie sich aber doch ein wenig.
Während der weiteren Fahrt dachte Mia über Tom und ihre Beziehung zu ihm nach. Sie fragte sich, wie es so enden konnte. Es war doch alles perfekt gewesen, oder?
Mit einundzwanzig Jahren lernte sie Tom kennen. Freundinnen schleppten sie mit auf eine Party der Medizinstudenten. Dort sah sie Tom in einer Ecke stehen. Ein wirklich, wirklich gut aussehender Mann. Weil sie nicht aufhören konnte, ihn anzustarren, fühlte er sich genötigt sie anzusprechen. Den ganzen Abend unterhielten sie sich, und für Mia war es Liebe auf den ersten Blick.
Böse Zungen behaupteten, sie sei nicht sehr anspruchsvoll bei der Wahl ihrer Männer. Wenn die ein hübsches Äußeres hatten und nett zu ihr waren, hätten die schon ihr Herz gewonnen. Die bösen Zungen glaubten, Mia würde sich aus Dankbarkeit über die Freundlichkeiten der Männer in sie verlieben und sich dabei selbst ein Stück aufgeben. Aber das waren nur böse Zungen - oder sollte da etwas Wahres dran sein?
Nach der Party trafen sich Mia und Tom noch zwei weitere Male. Bei der dritten Verabredung fand sie sich in Toms Bett und nach sechs Monaten mit ihm in einer gemeinsamen Wohnung wieder.
Tom studierte zu diesem Zeitpunkt. Nicht Medizin, sondern Jura. Zur Medizinerparty war er wegen der Versprechungen seiner Freunde: ‚Da sind heiße Krankenschwestern‘ gegangen.
Mia arbeitete bereits erfolgreich in einem Pharmaunternehmen und finanzierte fortan mit ihrem Gehalt nicht nur einen Teil von Toms Studienkosten, sondern auch den Großteil des Lebensunterhaltes. Im Laufe der vergangenen Jahre schaffte sie es durch viel Fleiß, die Karriereleiter weiter emporzuklettern.
Tom und sie lebten nicht schlecht von ihrem Einkommen. Diverse Flugreisen in den Süden und eine Neuseelandrundreise hatte Mia bezahlt. Hinzu kamen mehrfach im Jahr für ein verlängertes Wochenende Städtereisen, die mit einem Einkaufsbummel vor Ort und teuren Anschaffungen endeten. Gekocht wurde selten, dafür gingen sie oft in angesagten Restaurants essen.
Es war nicht so, dass Mia diese Dinge keinen Spaß machten, aber glücklich machten sie sie nicht. Sie wollte eine Familie gründen. Heiraten, mindestens zwei Kinder und ein bodenständiges Leben führen.
Als Tom nach seinem Studium anfing, in einer der renommiertesten Kanzleien des Bundeslandes zu arbeiten, konkretisierte Mia ihren Wunsch, eine Familie zu gründen.
„Ach, Mia-Mausi, lass uns mit Kindern noch warten. Jetzt, da ich arbeite und Geld verdiene, müssen wir uns finanziell nicht mehr einschränken.“
Als hätten wir uns in den letzten Jahren einschränken müssen. Ich vielleicht, weil ich bis nachts im Büro gesessen habe, während du mit deinen Freunden durch die Klubs gezogen bist und mein Geld ausgegeben hast, dachte sie. Doch dann lächelte sie Tom an und sagte: „Du hast recht. Warten wir noch.“
Anfang dieses Jahres setzte sie ihm die Pistole auf die Brust: „Ich will heiraten, und ich will Kinder. Und ich will das alles, bevor ich dreißig bin. Bis dahin sind noch eineinhalb Jahre Zeit. Überleg es dir. Wenn du nicht willst, bin ich weg.“
„Mia-Mausi, in den nächsten Jahren entscheidet sich, ob ich Partner in der Kanzlei werde. Das würde uns finanziell noch einmal nach vorne katapultieren. Bis dahin sollten wir deinen Kinderwunsch auf Eis legen. Du kannst auch in sieben oder acht Jahren noch ein Kind bekommen.“
„Nichts ist mehr mit Mia-Mausi“, entgegnete sie. „Ich habe es satt, dir dabei zuzusehen, wie du dem Geld hinterher hetzt. Bis zum Ende dieses Jahres will ich von dir eine Entscheidung.“
Danach redeten sie nicht mehr über das Thema. Mia bewahrte Ruhe. Erst in den letzten Wochen, vor ihrem achten Jahrestag, wagte sie wieder einige Anspielungen bezüglich einer Familiengründung. Toms Antwort war jedes Mal: „Ich weiß. Ticktack, ticktack.“
Nach dem heutigen Tag war die Trennung von Tom nicht nur unumgänglich, sondern Mia musste sich auch damit abfinden, dass ihr Traum vom Familienglück in ganz, ganz weite Ferne gerückt war.
Mia las das Ortsschild: Klein-Kläckenberg. Wie konnte jemand in ein solches Kaff ziehen? Für Mia völlig unverständlich. Sie liebte die Stadt mit deren Geräuschen und den vielen Möglichkeiten, die sich dort boten, um abends spontan auszugehen.
Sie parkte ihren Wagen hinter dem riesigen Pick-up ihrer Freundin. Direkte Nachbarn fand man hier nicht. Nachdem Mia den Zündschlüssel herumgedreht hatte und Motorgeräusch und Licht erloschen waren, blieb sie noch einen Moment im Auto sitzen.
Hier im Haus ihrer Freundin, mitten in der Wallapampa, wollte sie die nächste Zeit leben und sich neu sortieren.
Hier in diesem Haus, von dessen Dach aus man (da war Mia sicher) den Arsch der Welt sehen konnte, wie er seine prallen Backen dem Himmel entgegenstreckte, sollte ihr neues Leben beginnen.
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